EMB

Seit Jahren arbeite ich an einem Buch über das Meerforellenfischen im Fluss, als Nachfolger und Ergänzung zu meinen „Strandforellen“, und es wird und wird nicht fertig. Es soll inhaltlich ein wenig über den europäischen Tellerrand blicken, und da gibt es ja einige Reiseziele, die einem sofort einfallen. Feuerland etwa, Island, und nicht zu vergessen, die Meerforellen vom Canterbury River in Neuseeeland. Damit habe ich die Trauben so hoch gehängt, dass sie nun sauer sind. Island im frühen Herbst interessiert mich sehr, aber die Absteigerfischerei im April können sie sich dort an den Hut stecken. Nicht meins. Feuerland war lange ein Traum, aber mich stört die direkte Umsetzung von Geld zu Fisch. Es ist ja letztlich so, dass ich um die 12.000 Euro einzahle und mit einiger Sicherheit 10 bis 15 Fische dafür bekomme. Das Durchschnittsgewicht liegt bei 8 Pfund, 10 % der Forellen haben 15 Pfund, 2% wiegen über 20 Pfund. Es ist nun so, dass ich gar kein Teil von dieser Gemeinschaft sein möchte. Das hat sich halt ergeben, und ich bin selbst ein bisschen verblüfft darüber. Für den gleichen Preis kann ich mich 120 Tage in Dänemark aufhalten, mit Wetter.com und DMI.dk geplant, und das sind dann Tage mit dem besten Wetter und dem schönsten Wind, den man sich nur vorstellen kann. Und es werden sicher mehr als 10 Fische werden, wenn auch nicht so schwer. Ich vermute mal das solche Pläne dem Zeitluxus eines Pensionärs geschuldet sind, und für werktätige Menschen mit entsprechendem Einkommen finde ich Feuerland immer noch eine wunderbare Idee. Nur ich möchte halt nicht mehr. Neuseeland ist immer noch auf der bucket list, und es zieht mich eher an die Seen, die Videos mit dem Bissanzeiger am Fluss locken mich nicht. Der ruckt halt runter und eine 5 Pfund Forelle wird eingezogen. So what. Da habe ich für mich wohl auch den Zeitpunkt verpasst. Na ja, Island ist weiter hoch auf der Liste, aber nicht auf Normlachse, sondern auf Forellen. Bach- und Meerforellen. Saiblinge gefallen mir auch nicht. Das wird sicher noch mal was werden. Schon komisch wie man im Laufe seines Lebens irgendwie fischschrullig wird. Ich finde vom kleinsten Stichling bis zum größten Marlin alle Fische gleich interessant und wichtig, aber darum muss ich ja nicht auf die angeln wollen. Das wertet keinen ab und keinen auf. Andererseits interessiere ich mich für jede Fliege, die weltweit gebunden wird, auch wenn mich ihr Zielfisch vielleicht weniger begeistert. Man kann Muster und Idee verändern und anpassen, bis sie für die eigenen Vorlieben taugen. Die „EMB“ ist so eine Fliege. Eine Nymphe, hervorgegangen aus dem uralten „Girdle Bug“ von Frank McGinnis aus Montana. Definiere uralt? Wir reden von den 1930er Jahren. Ein Girdle ist ein Hüfthalter, und dank einer Schleuder, die zu unserem Studentenhaushalt gehört, entdeckte auch ich die fängigen Gummis. Das Gerät war von Miele und schwer. Mit einem Verlängerungskabel konnte man direkt auf dem Wäscheplatz schleudern und dann alles aufhängen. Nicht selten mein Job. Dabei entdeckte ich runde weiße Gummis, die an den Seitennähten aus Sabines Unterhosen hervorguckten. Wenn man kräftig zog und dann schnitt, konnte man ein brauchbares Stück ergattern. Die Tat selber war nicht zu beweisen. Der Gummirest flitzte ins Bündchen zurück. Die Hosen begannen jedoch nach einigen Ernten mehr und mehr zu rutschen, auch nett, aber der Übeltäter wurde nie ermittelt. Die Gummibeine waren an den Harzer Talsperren durchaus erfolgreich, aber kurze Zeit später gab es sie auch in Deutschland zu kaufen. Da ich nichtfedrige und nichthaarige Anbauteile nicht mag, sind Gummibeine bei mir nicht in den Dosen. Mit wenigen Ausnahmen. Mit gebremster Begeisterung habe ich eine Fliege wahrgenommen, die nach meiner Ansicht typisch für die moderne Binderei ist. Die „EMB“, eine Nymphe, die mit vollem Namen „Estancia Maria Behety Nymph“ heißt. Sie besteht aus drei, vier Fertigteilen und ist superschnell zu binden. Und sie ruht auf dem Fundament dreier Bindetraditionen. Raupenstoff, Chenille, kennen wir seit 1780. Die Gunmibeine stammen aus dem letzten Jahrhundert. Fliegen mit Metallköpfen sind ebenfalls alt, älter gar, aber in unserer Zeit seit etwa 1972, Ed Sisty, und 1985, Roman Moser, neu bewertet worden. Die „EMB“ überspannt damit locker 200 Jahr, auch wenn das Chenille modernisiert wurde und die Köpfe inzwischen aus Tungsten sind. Selbst ein ungeschickter Guide bindet eine „EMB“ in einer Minute. Eine ideale Klientenfliege. Sie nimmt alles Gute Alte und fügt es, zugegeben seelenlos, zueinander. Natürlich braucht man auch Nymphen in der Dose, in die man Gefühle investiert hat, sagen wir eine 14er „Dark Olive“, aber auch das Moderne hat etwas. Sollte es Ihnen gelingen, mit selbstgebundenen „EMB’s“ an einem EMB Beat zu fischen, herzlichen Glückwunsch, tight lines und vergessen sie mein Gemäkel.

Ingo Karwath