Die wahre Geschichte von drei denkwürdigen Auftritten als nackter Affe
Foto: NOAA.
Als die „Gorch Fock“ 1976 kurz davor war die Bermudas zu erreichen, kamen wir in eine windstille Zone mit sehr hohen Temperaturen, und es war unter Deck unerträglich heiß. Alle Segel wurden geborgen und die Maschine angeschmissen, ein liebliches Geräusch, denn damit war der Segeldienst passé. Die Offiziere besorgten sich Hängematten und schlugen ihr Nachtlager auf dem Achterdeck auf. Die Unteroffiziere taten das Gleiche auf der Hütte, und für die Mannschaften wurden auf dem Hauptdeck Manntaue gespannt, an denen wir unsere Hängematten festmachen konnten. Nie in meinem Leben habe ich einen schöneren Sternenhimmel gesehen. Nackt und nur mit einem Laken ließ es sich dort vortrefflich schlafen. In den kleinen Stunden der Nacht bekam ich den Schreck meiner jungen Jahre, denn um uns herum jagten wohl große Räuber die Fliegenden Fische, von denen es, wie ich seit soeben weiß, vier Unterfamilien, sieben Gattungen und etwa 75 Arten gibt. Wenn sie günstig aus der Dünung kommen, können sie recht hoch fliegen, und einer landete in meiner Hängematte und zappelte in meinem Gesicht herum. Vor Schreck sprang ich selber auf und herum und war für die Wache, die das beobachtete, das Objekt größter Heiterkeit. Anderntags war das natürlich Gesprächsthema, und es wurden reichlich Witze über mich gemacht. Unkorrekte, Negertanz und so. Zum Glück erreichten wir zwei Tage später Hamilton, lernten supertolle Mädchen kennen und ich ward vergessen. Aber es kam noch schlimmer. Zwei Monate später, auf der Heimfahrt, machten wir in Finkenwerder fest, erlebten eine Woche das tollste Volksfest, die Menschen spendierten uns wirklich alles, mussten am letzten Tag aufentern und die Bramstengen fieren, um später durch den Nord-Ostsee-Kanal fahren zu können. Die Arbeit im Topp war angetrunken nicht eben leicht, Steuerbord 2 hatte Landgang bis 12 Uhr, aber keiner merkte was und alles ging gut. Unter Motor liefen wir aus, und ich war froh dann endlich in die Hängematte zu kommen. Es war wieder sehr heiß unter Deck, also blanko und Laken. In der Nacht wollte das Bier weggebracht werden, und ich rollte mich aus der Hängematte und ging über das Oberdeck zur Hütte, wo die Zylinder waren. Völlig verschlafen und mit kaum offenen Augen registrierte ich plötzlich Gejohle und Applaus, wähnte mich aber auf See. Das war leider falsch. Wir waren in der Schleuse Brunsbüttel und etliche Menschen waren gekommen, um das Schleusen der „Gorch Fock“ zu beobachten. Ich erreichte die Hütte und war in Sicherheit, aber was nun, es gab nur den einen Rückweg. Nach kurzer Überlegung war mir klar, es gibt keine würdevolle Lösung, und ging schlicht und einfach zurück. Einer rief: „Da kommt er wieder!“ und das Publikum gröhlte. Nach 6 Monaten Segelschiff, und dann noch mit 20, ist man zum Glück braun gebrannt und durchtrainiert, und sollte jemand im schönsten Bundesland und echten Norden davon gehört haben, bitte ich um Bestätigung. Einigen Frauen könnte es gefallen haben. Meinen dritten und bis heute letzten Auftritt als Magic Mike hatte ich am Strand von Snøde Øre. Vor meinen Augen spielte sich ein Drama ab, denn eine weibliche Eiderente hatte sich anscheinend in einem Netz verfangen und kämpfte um ihr Leben. Hundert Meter weit draußen. Ich kämpfte mit mir. April, 9 Grad Wassertemperatur. Mein Fernglas ließ keinen Irrtum zu. Sie würde ertrinken. Der Held in mir gewann, ich überlegte das Unterhemd könnte als Handtuch genügen, zog mich aus, schnappte mein Messer und schwamm raus. Der Vogel war wenig begeistert und schimpfte und schlug mich mit den Flügeln, aber ich konnte ihn losschneiden und befreien. Ihr Männchen blieb die ganze Zeit in der Nähe, und das hat mich tief beeindruckt. Es gibt anständige Männer. Man muss sie nur finden. Auf dem Rückweg zum Strand bemerkte ich eine Person neben meinen Sachen. Auch hier war es mit der Würde so eine Sache. Sagen wir mal so, Magic Mike war eher unsichtbar. Und das vor einer schönen Frau im roten Daunenmantel. Sie sagte etwas auf Dänisch. Ich sagte: Sorry, German. Und sie sagte: Ich wollte nur warten bis du wieder in Sicherheit bist. Legte eine kleine Schokolade auf einen Stein und ging. Ab da ging mein Plan auf. Ich trocknete mich ab, zog mich wieder an und fischte weiter. Als ich zu meinem einsamen Auto zurückkam, klemmte unter dem Scheibenwischer eine Visitenkarte mit handschriftlicher Telefonnummer und der Frage „Dinner?“. Da soll mal einer sagen Meerforellenangeln sei nicht aufregend.
Ingo Karwath