Blick zurück…

For international readers: Old, long lost tippet concepts. From concealed to open carry.

Die BOL Vorfachdose von Hans Schreck, 3559 Burgwald-Bottendorf, war ein genial durchdachtes Gadget. Unter der roten Kappe der Mittelachse ist ein Messerchen eingearbeitet.

Die Ordnung, die wir mit Kisten und Kästen, Schränke, Kommoden und Schubladen herstellen, ist eigentlich nur eine Vorform des Wegwerfens. In meiner alten Flötotto Kommode mit den vielen Schubladen benutze ich nur die oberen, derweil weiter unten eher saisonale Klamotten sind und ganz unten sogar Erinnerungsstücke wie Andros Hemden. Klar gibt es verschiedene Aufräumkonzepte, aber ich kann mit solchen Ansätzen „macht dir das Stück noch Freude“ oder „hast du es in den letzten 12 Monaten benutzt“ nichts anfangen. Meine Socken etwa machen mir gar keine Freude, sind ohnehin alle gleich, und kann gut sein ich habe ein hinten liegendes Paar 12 Monate nicht benutzt. Na und. Mir doch egal. Was mich viel mehr bekümmert sind Dinge die ich bestelle und kaufe, obwohl ich sie habe, aber aus den Augen verloren. Das passiert mir nicht selten in der Werkstatt, beim Bindezeug und auch beim Angelzeug. Mal ein BSW Gewindeschneider, den ich in dem Durchmesser noch zweimal liegen habe, Haken, von denen ich dann 200 wiederfinde, oder Backing, obwohl ich das spulenweise bevorrate. Das schlimmste Bermudadreieck im Haus sind meine Samla Boxen in dem Bodenraum, der meiner ist. Da steht nicht ein vernünftiges Teil. Nur Spielzeug. Die Boxen suggerieren eine Ordnung, die nicht vorhanden ist. Aber ich habe mich aufgemacht alles zu sichten und mindestens zu verwalten. Freunde machen sich schon Sorgen, ob ich mit dem schwedischen „döstädning“ begonnen habe, dem Vor-Tode-Aufräumen, aber das ist es nicht. Ich will nur wissen was ich habe um es zu benutzen. Und wirklich überzähliges Angelzeug stifte ich der Jugendgruppe. Bei dieser Maßnahme, die gerade erst begann, fand ich zwei BOL Vorfachdosen. Die waren in den 70er Jahren ein so großer Hit, dass ich gleich zwei davon kaufte, um eine in Reserve zu haben. Auch andere Vorfachdosen der Zeit arbeiteten auch nach dem Prinzip, man solle sein Vorfachmaterial umspulen und auf kleinen Spulen in der Weste verwahren. Das lag nicht zuletzt daran, dass man sein Nylon auf 100 m Spulen kaufte, und die passten in keine Weste. Dann kamen die kleinen 30 m Spulen immer mehr auf und viele Westenhersteller integrierten Vorfachspulentaschen. Meine L’esquimau Westen haben je 4 Täschchen und noch zwei seitlich. In den 80er waren meine BOL Döschen darum längst pensioniert. Und was soll ich sagen, ich habe mich von den Westentäschchen nie emanzipiert. Der moderne technische, taktische Fischer von heute verwahrt seine Spulen lieber auf einem offenen Halter, den er dann trägt wie einen Orden, damit man an der Vielfalt der Spulen sehen kann wie gut er fischt. Ich habe auch schon Kollegen mit zwei Haltern gesehen, denn möchte man von 0,08 bis 0,22 alles mit sich führen, sagen wir Copolymer und Fluocarbon, dann sind das ja 16 Spulen. Damit sieht man dann aus wie ein alter Kreml General. Der Unterschied zur alten Zeit ist schlicht der, dass man früher auf das Trockenfischen fixiert war. Das Vorfach darum kaum rutenlang, das Tippet vielleicht 70 cm Platil. Bei 7x hielt man den Atem an, 6x war gewagt, 5x ging, 4x war Standard, 3x für dicke Forellen, 2x für Streamer. Heute ist Nymphenfischen angesagt, mit überlangen Vorfächern und Tippets, und man zieht schnell mal 150 cm von der Spule. Das könnten die kleinen Spulen kaum bedienen. So gesehen ist das BOL-Döschen eine Erinnerung an Verluste. Verluste in der Natur, verschwundene Eintagsfliegen, verschwundene Hoffnungen auf einen Abendsprung, verschwundener Anstand bei denen, die eine Käsenymphe mit einem 3-Gramm-Chebu versenken und natürlich wissen, dass sie keine Fliegenfischer mehr sind. Ich habe die BOL Dosen einem Freund geschenkt, der darauf Fluo verwahrt für die Vorfächer an seinen Gummifischruten. Dort genügen 60 cm. Ob man im Zorn zurückblickt bleibt zu überlegen, denn beim Schutz unserer Insekten haben wir versagt. Euro-Nymphing ist weder Antwort noch Lösung. Aber was soll man machen.

Die „roberto pragliola“ Vorfachdose ist perfekt gearbeitet und durchdacht. Die Vorfachstärken von 12 bis 20 sind passend zu den Spulen in den Deckel eingearbeitet. Der Druckteller hat ein Messer eingebaut.

Ingo Karwath