For international readers: Seize the moment. Talking water is happy water.

Happy Water.
So zwei, drei Meter links neben mir kam eine Tangnadel aus dem Blasentang hervor, orientierte sich einen Moment, und schwamm dann über eine helle Sandfläche zum nächsten Tangbüschel. An der Ostküste von Als hatte ich die Sonne im Rücken, den Wind auch, und aus kleinen Wellen funkelte das Licht des sehr späten Nachmittages in alle Richtungen. Aufmerksam geworden achtete ich ein wenig mehr auf meine Umgebung, derweil die hoch abgesetzten Würfe vom Wind hinausgetragen wurden, als ob ich gut werfen könnte. Der Küstenwerfer kann sich seiner Sache nie ganz sicher sein, denn wenn man im Windschatten steht und einen doppelt gezogenen Wurf auf 10.30 Uhr in die Luft stellt, greift sich von hinten der „Höhenwind“ die Keule und trägt die Fliege 35 Meter aufs Meer. Ungünstige Winde aber können zu Wurfereignissen führen, bei denen man an sich selber zweifelt und um 12 Meter geradeaus kämpft. Doch heute war ich ein Könner und musste nur die Schnur schön in den Korb ablegen, um den nächsten Wurf wieder so genießen zu können. Ich sah noch eine kleine Flunder und beobachtete einen schwimmenden Borstenwurm. Um meine Fliege herum gab es immer mal Wellen und Kreise, und der erste „Biss“ war dann auch ein sehr großer, quergehakter Hornhecht. Dann zwei kleine Dorsche. Von Norden nach Süden zogen Schweinswale vorbei, erst zwei, dann noch einer, und etwa hundert Meter draußen sah man sie sehr aktiv jagen. Die schon niedrige Sonne erzeugte an meinem Standort bereits Schatten, aber die Möwen, die immer mal wieder vorbeiflogen, glitzerten im hohen Schein wie Silber. Dann fing es sanft an zu regnen, für einen kurzen Moment fette Tropfen, dann wieder Licht. Von Boyden auf der anderen Seite stiegen zwei Regenbogen auf und verloren sich weiter im Süden im Wasser. Und dann kam, was nicht musste, aber sehr wahrscheinlich war. Ich bekam den schönsten Biss, den man sich vorstellen kann. Die Fliege war gerade gelandet und ich wartete einen kurzen Moment, als ohne jedes Zutun die gut sichtbare Keule weiter hinausgezogen wurde. Ein Freund nennt diesen Biss „la keul recule“, er ist Militärhistoriker. Die dünne Schnur folgte, und mit einem geraden Ruck nach hinten war ich an einem Fisch fest. Der war dann letztlich knapp 60 cm lang und jetzt Anfang Mai noch etwas schlank braun punktig, aber auch schon mit grün und silber. Als ich später auf meinem Rucksack saß und aufs Meer schaute, kam mir der Gedanke mit dem „happy water“. Eine Meerforelle ist ja an sich keine Rarität, und es gibt viele an unseren Stränden, aber unsere Sinne sie zu finden sind vermutlich schlechter als die eines Maulwurfs auf der Suche nach Engerlingen. Wir irren hin und her, fischen hier und dort, und wenn wir dann nach fünf Ortswechseln etwas fangen, dann haben wir „Fisch gefunden“. Ich bin mehr so der Ansitzer und gebe einem Platz lange seine Chance. Wenn ich etwas fange, hat der Fisch mich gefunden. Ich muss mich an einem Strand wohl fühlen, das Meer muss eine Geschichte für mich haben, etwas erzählen, dem ich zuhören mag. Nun kann das Meer aber nicht die ganze Zeit reden und braucht auch mal eine Pause. Aber wenn es happy ist und erzählt, sollte man nicht am Strand oder im Auto sitzen. Nach meinen langen Jahren als Strandfischer nehme ich diese Momente als Geschenk an. Sie haben nichts mit mir zu tun. Ich habe sie nicht gefunden. Sie wurden nur ausgepackt, als ich gerade da war.
Ingo Karwath