Ingo Karwaths Fliegenlexikon Nr. 26 – Steinfliegennymphen

Wer die Wahl hat, hat die Qual? Wir bilden keinen Arbeitskreis, wir entscheiden.

For international readers: Some thoughts on grouping stonefly nymphs.

Die Nymphe der Steinfliege ist, wie man bei dem Namen schon ahnen kann, ein Muster das man viel verliert. Sehr viel verliert. Es ist darum eine gute Idee, nicht drei, nicht fünf, sondern eher ein Bäcker-Dutzend bei sich zu haben, wenn man mit der Zahl dreizehn leben kann. Wie jeder Fliegenfischer und -binder beschäftige ich mich schon mein Bindeleben lang mit Steinfliegen, bin aber erst neulich mit Anteilnahme auf einen systematischen Ansatz gestoßen, der ehrlich gesagt eher alt ist, den ich überragend gut finde. Vorher habe ich immer mal diese oder jene Nymphe gebunden, mit Mustern und Varianten gespielt, und hatte eigentlich nie genug in der Dose, um einen konsequenten Nymphentag mit Steinfliegen durchzustehen. Die Idee kommt natürlich aus den USA, dem Mutterland der Optimierung, und gründet auf der Wahrnehmung, dass es im Prinzip vier Steinfliegen gibt. Achtung, jetzt wird’s völlig unentomologisch: Es gibt eher kleine Braune, etwas größere Gelbe, mittelgroße Goldene und große Schwarze.

Brown Montana Stone. Haken: Gr. 12; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: braun; Schwanz: 2 Biots, braun; Rippung: Kupferdraht; Körper: Wolle, braun; Thorax: Wolle, braun; Hechel: Hahn, grizzly und cree, zusammen mit weißem Straußengras gewickelt.

Yellow Montana Stone. Haken: Gr. 10; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: gelb; Schwanz: 2 Biots, gelb; Rippung: Kupferdraht; Körper: Wolle, gelbbraun; Thorax: Wolle, gelbbraun; Hechel: Hahn, braun und grizzly, zusammen mit weißem Straußengras gewickelt.

Golden Montana Stone. Haken: Gr. 8; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: orange; Schwanz: 2 Biots, orange; Rippung: Kupferdraht; Körper: Wolle, goldbraun; Thorax: Wolle, goldbraun; Hechel: Hahn, grizzly und cree, zusammen mit weißem Straußengras gewickelt.

Black Montana Stone. Haken: Gr. 6; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: schwarz; Schwanz: 2 Biots, schwarz; Rippung: Kupferdraht; Körper: Wolle, schwarz; Thorax: Wolle, schwarz; Hechel: Hahn, grizzly und cree, zusammen mit weißem Straußengras gewickelt (die Kupferrippung bei allen Montanas auch über die Hecheln führen, was enorm zur Haltbarkeit beiträgt).

Das ist auch völlig richtig, doch schaut man sich in Schwieberts „Nymphs“ die Farbtafeln an, erkennt man natürlich viele subtile Unterschiede bei den Farben. Jedenfalls im Sessel. Stellt man das Buch einen Meter weg, ist die Theorie wieder richtig. Wie bei allen Vereinfachungen muss man sich entscheiden, und da mag es helfen, die Sache vom Ende her zu durchdenken. Stellen Sie sich vor, Sie haben je ein Dutzend Steinfliegennymphen in Größe 12 in braun, in Größe 10 in gelb, in Größe 8 in gold und in Größe 6 in schwarz. Je eins kleiner oder größer ginge auch. Schön gereiht in der Dose. Wie die langen Kerls vom alten Fritz. Okay, ist das besser oder schlechter sortiert als es Ihre Steinfliegen jetzt sind? Meine Antwort war besser, die Vorstellung war besser, ist besser, und ich habe mich aufgemacht mir die Fliegen zu binden.

Brown Birds Stone. Haken: Gr. 12; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: braun; Schwanz: 2 Biots, braun; Rippung: Floss, orange; Körper: Dubbing, braun, Flügelköcher: Truthahn; Hechel: Henne, furnace; Thorax: Pfauengras.

Yellow Birds Stone. Haken: Gr. 10; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: gelb; Schwanz: 2 Biots, gelbbraun ; Rippung: Floss, gelb; Körper: Dubbing, gelb; Flügelköcher: Truthahn; Hechel: Henne, braun; Thorax: Pfauengras.

Golden Birds Stone. Haken: Gr. 8; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: braun; Schwanz: 2 Biots, orange; Rippung: Floss, golden; Körper: Dubbing, goldbraun; Flügelköcher: Truthahn; Hechel: Henne, braun; Thorax: Pfauengras.

Black Birds Stone. Haken: Gr. 6; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: orange; Schwanz: 2 Biots, schwarz; Rippung: Floss, orange; Körper: Dubbing, schwarz; Flügelköcher: Truthahn; Hechel: Henne, schwarz; Thorax: Pfauengras.

Ist der Entschluss gefasst, steht eine weitere Entscheidung an. Welches Musterl hätten‘s denn gern? Ich kenne einen ganzen Schwung von Steinfliegentypen, die eine Überlegung wert sind. Aus diesem Angebot habe ich vier isoliert: Die „Montana Stone“ von Charles Brooks, die 70er Jahre Muster von Orvis, die „Birds Stonefly“ von Cal Bird und die „Box Canyon“ vom Mims Barker. Alle vier Gruppen haben einen Ruf wie Donnerhall, und es wäre vermessen zu glauben, dass sie gegeneinander gefischt die Goldmedaille nicht teilen müssten. Man kann sie nur nach anderen Kriterien auswählen. Intuition zum Beispiel. Visionen gar. Man denkt unwillkürlich an Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Vielleicht noch dies als Argument: Jeder Fotograf kennt die Blendweitenbrücke, also die Auswahl von sinnvollen Objektiven für den praktischen Einsatz. Das lässt sich auf Fliegenruten übertragen, sagen wir Klasse 4, 6 und 8. 5 und 7 und 9 kauft man nicht. Auf Steinfliegen nicht minder. Man wählt und lässt aus. Klingt doch einfach.

Early Brown. Haken: Gr. 12; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: braun; Schwanz: Hechelfibern, braun; Rippung: Kupferdraht; Körper: Dubbing, braun; Flügelköcher: Krickente, braun; Thorax: Dubbing, braun; Hechel: Henne, braun..

Little Yellow. Haken: Gr. 10; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: gelb; Schwanz: Hechelfibern, gelbbraun; Rippung: Kupferdraht; Flügelköcher: Stockente, gelb; Thorax: Dubbing, gelbbraun; Hechel: Henne, gelbbraun.

Giant Golden. Haken: Gr. 8; Beschwerung: Bleidraht; Bindeseide: braun; Schwanz: Hechelfibern, gelbbraun; Rippung: Kupferdraht; Körper: Dubbing, goldenbraun; Flügelköcher: Stockente, hellbraun; Thorax: Dubbing, goldbraun; Hechel: Henne, gelbbraun.

Giant Black. Haken: Gr. 6; Beschwerung: Bleidraht, Bindeseide: schwarz; Schwanz: Hechelfibern, schwarz; Rippung: Kupferdraht; Flügelköcher: Krickente, dunkel; Thorax: Dubbing, schwarz; Hechel: Henne, schwarz.

Die Orvis-Muster aus dem Hebeisenkatalog waren meine allerersten Steinfliegennymphen, und die Seite 241 aus dem alten Spezialitätenkatalog habe ich immer noch im Archiv. Dort findet man dann Muster, die im Stil der Zeit sehr gut auch alle Steinfliegennymphen abdecken, mit denen man in der Saison rechnen kann. Die „Early Brown“ wird für das Frühjahr empfohlen, die „Little Yellow“ für den Sommer, die „Giant Black“ für große, tiefe Gewässer und die „Giant Golden“ für große und vergrämte Farios. Man erkennt einen Touch Alte Welt, weil sie noch so normal nymphig aussehen und ohne Biot Schwanz daherkommen. Interessant an ihnen ist ja, dass wir schon in den 70er Jahren einen guten Zugriff auf Steinfliegennymphen hatten und uns nicht verstecken müssen. Der Katalog war vermutlich älter als die erste Ausgabe vom „Fliegenfischer“ 1975, aber ich kann es nicht mit Gewissheit sagen, da ich nur die Fliegenseiten verwahrt habe. Mit Jochen Schück wurde das Lernen dann leichter. Aber dieser Rückblick in die alte Zeit gefällt mir. Da hat man mit der Lupe über Bildern gesessen wie die britische Luftaufklärung in Bentley oder Bletchley Park. Anleitungen waren ja nicht dabei, denn die Händler wollten ja weder uns noch die Konkurrenz fähig machen. Heute wird man besser informiert oder man zieht die Bilder so groß, wie der Fernseher eben ist. Da erkennt man noch die Seitenfibern von Federfibern. Und jede Schlamperei. Das Bindeprinzip, den ersten Flügelköcher fast über die ganze Nymphe zu legen, ist uns verloren gegangen. Dabei sieht es recht gut aus und vermittelt eine glaubhafte Steinfliegenkarikatur. Ich finde es sogar so gut, dass man es wieder hervorholen sollte. Auch zu den anderen Nymphen habe ich eine gewachsene Beziehung, denn mit Charles Brooks habe ich zusammen gefischt, die „Birds Stonefly“ lernte ich durch einen Guide kennen und im Box Canyon war ich auch schon. Ich könnte also auf der Basis von Emotionen und Erinnerungen entscheiden. Besser wird es wohl sein, man bindet jeden Typ einmal und entscheidet die Sache zunächst im Stock. An welchem Muster hat man die meiste Freude. Mit Fühlern z.B. habe ich ja so mein Problem. Erstens legen Steinfliegen die bei der Drift gern an und machen sich auch krumm, und zweitens kommen sie mir, so ich mal hektisch bin, immer beim Knoten in die Quere. Kommt man weder über Emotionen noch Bindefreude zu einer Entscheidung, dann sollte man je drei von jeder Sorte binden. Das macht dann zusammen auch 12 Muster pro Größe, und man darf vermuten, dass das erste Muster, was aus dieser Staffel später dann nicht mehr vorhanden ist, bewusst und unbewusst die eigene Wahl ist. Wenn es denn so einfach wäre. Kann ja auch das erste Muster sein, das man loswerden wollte. Aber im Hin und Her der Muster wird man seine Wahl schon finden, und vermutlich wird es ein Mix werden. Dabei bleibt man dann und schaut nicht mehr zurück. Oder man macht es ganz anders. Und würde ich meine Wahl nun nennen, brächte ich Sie ja um die Freude, es zu versuchen. Das geht natürlich nicht. 

Brown Box Canyon. Haken: Gr. 12; Beschwerung: Perle, Bleidraht; Bindeseide: braun; Schwanz: 2 Biots, braun; Rippung: Kupferdraht; Körper: Dubbing, braun; Flügelköcher: Truthahnsegment, braun; Thorax: Dubbing, braun.

Yellow Box Canyon. Haken: Gr. 10; Beschwerung: Perle, Bleidraht; Bindeseide: gelb; Schwanz: 2 Biots, gelb; Rippung: Kupferdraht; Körper: Dubbing, gelbbraun; Flügelköcher: Truthahnsegment, graubraun; Thorax: Dubbing, braungelb.

Golden Box Canyon. Haken: Gr. 8; Beschwerung: Perle, Bleidraht; Bindeseide: braun; Schwanz: 2 Biots, braun; Rippung: Kupferdraht; Körper: Dubbing, goldbraun; Flügelköcher: Truthahnsegment, braun; Thorax: Dubbing, goldbraun.

Black Box Canyon. Haken: Gr. 6; Beschwerung: Perle, Bleidraht; Bindeseide: schwarz; Schwanz: 2 Biots, schwarz; Rippung: Kupferdraht; Körper: Dubbing, schwarz; Flügelköcher: Truthahnsegment, dunkel; Thorax: Dubbing, schwarz.

Alle vier Mustergruppen lassen sich natürlich auch mit einer Perle binden, so wie an der „Box Canyon“ gezeigt, was ihren imitativen Eindruck vielleicht etwas mindert, aber ganz sicher nicht entscheidend. Aber man könnte sich ja auch einmal überwinden ohne Perle zu fischen. Sie ist kein künstlerischer Ausdruck, nur ein Gewicht. Außerdem kann man die Bindeweisen kombinieren, puzzeln, denn das Ergebnis kann nur gut werden.

Ingo Karwath