Der Geist und die Dunkelheit

For international readers: Salmon flies with ghost wings are coming. The Akroyd gets company.

Wer bei „anglebooks“ Bücher bestellt und die entsprechende Werbung bekommt, kann nicht umhin die umfassende britische Großwildjagdliteratur zu bemerken. Unsere Stadtbücherei hatte da früher einiges im Bestand und als Jugendlicher habe ich das mit Begeisterung gelesen. Irgendwo habe ich sogar ein paar Bände über Indien stehen. „The man-eaters of Tsavo“ von John Henry Patterson wurde gar von Hollywood verfilmt und bekam einen Oscar. Dieser Film, „Der Geist und die Dunkelheit“, kam mir in den Sinn als ich über Lachsfliegen mit Geisterflügeln schreiben wollte. Nach vielen Jahren der „Weiterentwicklung“ mit Anbauköpfen, modularen Tubesystemen, Beschwerungen und Gummiteilen ist der Lachsfliegenszene irgendwie die Luft ausgegangen. Letztlich sollte damit ja auch nur Geld verdient werden und nach meiner Meinung sind viele moderne Lachsfliegen in der Substanz nicht echt. Sie bedienen sich bei fremden Ideen und preisen an, bevor eine Erprobung auch nur angefangen hat. Sie kommen nicht aus der echten Fischerei. Die „Templedog“ von Hakan Norling ist die letzte große Erfindung, danach begann nur noch ein ergänzendes Getöse. Viktorianische Mengen von Kunststofffasern wurden zu teuren Lachsfliegen komponiert, derweil die Leute mit den vollen Taschen am Alta unverdrossen weiter „Willi Gunn Bucktail“ fischten. Da entstand so ein wenig der Eindruck, die Oberschicht fischt an sehr guten Lachsgewässern mit einfachen Fliegen, derweil der Mittelstand seine mittelguten Flüsse mit hochaufwändigen, teuren Fliegen kompensiert. Damit die Verkäufer genug Geld haben, um dann selbst an den Alta zu fahren. Diese Erkenntnis ist genau die, welche die Fuselverkäufer immer schon gefürchtet haben. Mit der norwegischen Krise ist nun auch vielen in den Sinn gekommen, vielleicht doch wieder zu den Einzelhaken zurückzukehren. Eine zarte, frühe, junge Renaissance der Singles ist zu bemerken. Ganz Kanada fischt barbless Singles, und das kann sehr wohl unsere Zukunft sein. Ja klar verliert man mehr Fische damit. Das wird jeder Praktiker bestätigen. Aber dieses Schicksal macht uns alle gleich. Long line release, short line release, anfassen – natürlich wählen wir alle anfassen, packen, zurücksetzen. Aber bitte im knietiefen Wasser und nicht an die Luft heben. Aber ich schweife ab. Mal wieder. Der oben angesprochene Geisterflügel ist allerdings nicht eben ein Zeilenfüller, denn man nimmt einfach eine bekannte Lachsfliege, ich habe mal eine „Blue Charm“ gewählt, und bindet ihr einen weißen Flügel auf. Außerdem wähle ich einen Einzelhaken. In Kanada müsste ich den Widerhaken andrücken. Vielleicht schon mal zur Gewöhnung sacken lassen. Das ist auch schon alles. Einfach einem bekannten Muster einen weißen Flügel aufbinden und man hat einen Geisterflügel. Der Effekt ist wohl der, dass so eine Fliege für den Lachs sehr überraschend auftaucht. Nach Ansicht einiger alter Hasen gibt es ohnehin nur zwei Fliegenfarben von Rang, schwarz für das Süßwasser, weiß für das Salzwasser. Für einen anadromen Fisch beides zu mischen ist sehr vernünftig. Die Saison 24 ist ja erst einmal vorbei, es sei denn man mag in Schottland fischen. Aber in 2025 ist es sicher eine gute Idee, so einen Geist in der Dunkelheit zu fischen. Man wünscht sich gleichzeitig, die norwegische Politik möge sich von der Dunkelheit befreien und die industrielle Verschmutzung der Fjorde durch Fischfarmen verbieten. Wie kann es sein, dass man so viele E-Autos fährt, seine grüne Vergangenheit und Zukunft beschwört, unglaublich viel Volksvermögen, die besten Langläufer hat und gleichzeitig so doof ist.

Ingo Karwath