Das perfekte Steinbuttsystem

Abstract for international readers: Fishing for turbot on the Danish west coast in April, May or September and October with fly tackle and/or casting rod. Tips on rigs. Use DeepL in case of interest.

Bild 1. Steinbutt. Foto: CC Luc Viatur.

Im April und Mai, und dann wieder im September und Oktober, aber mit Glück auch im Sommer, kann man an der dänischen Westküste und auch auf Sylt ganz wunderbare Steinbutte fangen, die bis zu drei, gar vier Kilo schwer sein können. Bei nettem Wind geht das sehr gut mit der Fliegenrute, denn die Butte findet man im ganz flachen Wasser, mehr oder weniger am Spülsaum. Fischen Sie einen weißen „Samsœ Killer“. Nun ist das mit dem milden Wind an der Nordsee so eine Sache, denn der ist sehr selten. Möchte man auf alles vorbereitet sein, gehört darum eine Spinnrute mit ins Gepäck. Der Fisch ist außerordentlich lecker und in der Gastronomie ein absolutes Spitzenprodukt. Das Filet ohne Haut kostet 140 Euro für ein Kilo! Um vorbereitet zu sein, kaufe ich meine 28 Gramm Viking Herring Blinker von Wiggler direkt in Schweden. Den Haken entferne ich, und in den oberen und unten Sprengring drehe ich einen zusätzlich oben Sprengring und unten einen Wirbel ein (Bild 1).

Bild 2. Bewährte Steinbuttbleche.

An den unteren Wirbel  kommt später ein 40 cm langes Vorfach aus 60er Gunki Nylon mit zwei Owner Haken SSW in Größe 3/0. Die Haken sind 5 bis 10 cm auseinander. Die Schlaufe ist eine Perfection Loop, der Knoten bekommt einen Knotenschutz. In den großen Sprengring drehe ich einen 3/0er Replacement Einzelhaken ein, das Vorfach wird in den kleinen unteren  Wirbel eingeschlauft. Ein weiterer Owner 3/0 SSW wird mit einer Schlaufe aus 1 mm Schmuckseil als Assisthook vorbereitet und dem oberen kleinen Sprengring eingeschlauft (Bild 3 und 4).

Bild 3. Das fertige Gesamtkunstwerk, der Huchenzopf des Nordens.

Bild 4. Assisthooks sind natürlich unterhalb der Würde eines Fliegenbinders. Steinbutt im Ofen jedoch nicht…

Das Vorfach über dem Blinker besteht aus 80er Gunki und ist 80 cm lang (Bild 5). 40 bis 50 cm über dem Blinker macht man einen halben Schlag und fädelt eine Perle auf, dann einen Boom (Bild 6), wieder eine Perle und noch ein Knoten. Unten einen Snap. Oben eine Schlaufe. Der halbe Schlag setzt die Tragkraft auf 50 % herab, aber da bleiben theoretisch 14 Kilos übrig, und das genügt.

Bild 5. Gunki benötigt man für Hecht und Meerforelle sowieso. Für Steinbutt ebenfalls.

Bild 6. Booms sind vermutlich im Norden bekannter als im Süden. Sie kosten fast nix und wirken wunderbar.

Jetzt könnte man sich eine „Juletrae“ auf 2er Owner SSW oder Partridge Patriot binden und eine solche mit einem 10 cm Vorfach aus 60er Gunki an den Boom knoten. Dann wäre für das gute Gefühl eine Fliege mit auf dem Weg. Ich bin da rustikaler Praktiker. Mir doch egal. Beködert wird das System unten und oben! mit einem Sandaal oder Fischfetzen, den man schön mit Baitelastic umwickelt. Nicht zu fest, das Material schneidet ein. Sandaal ist ideal, Hornhecht und Makrele sind gut, Hering okay, Schollenunterseite geht auch (Foto 7).

Bild 7. Das fertige System erinnert an ein polnisches oder tschechisches Nymphenvorfach, oder?

Für die vorbereiteten Köder benötigt man eine Dose, die man sich kleidsam umhängt oder in die Tasche steckt (Bild 8). Möglich sind auch Gummisandaale, wie Gulp Alive, wenn man sie für unter 15 Euro bekommt. Sind acht Stück im Glas (Bild 9). Das beschriebene System fliegt ganz okay, kann sich aber mal verhängen. Wind und Wellen können ungünstig sein. Den Assisthook ausschlaufen und gucken ob es besser wird. Sonst das untere Vorfach entfernen und den Fetzen am Boom fischen. Das ist eigentlich immer hängerfrei.

Bild 8. Steinbuttzubehör. Köderdose, Baitelastic, Hakenlöser, Landehandschuh, Zollstock. Darunter mein Skues-Beutel, der die ideale Steinbuttgröße hat.

Bild 9. Gulp Sandaale stinken, und wenn man sie nach der Fischerei nicht wieder einlegt, trocknen sie grotesk zusammen.

Von Sylt bis Hirtshals

Bild 10. CTS Vapor Trail für Steinbutt. Der Autoaufkleber wird dem Ansatz nicht ganz gerecht.

Ich habe natürlich eine spezielle Rute für Steinbutt, eine Vapor Trail 10 Fuß von CTS mit ab 40 Gramm Wurfgewicht (Bild 10). Eigenbau. Die Fischerei wurde vor einigen Jahrzehnten entdeckt, weil ein paar findige Dänen die Steinbutte am Strand mit der Hand fingen! Butt pedden, nennt man das in Nordfriesland. Also barfuss fixieren, dann aufnehmen. Darum in jedem Fall nur bis zu den Knien ins Wasser gehen und in einem Winkel von 45 Grad zum Spülsaum auswerfen. Die Nordsee ist außerdem gefährlicher als die Ostsee und eine sogenannte Grundsee kann einen umschmeißen. Das ist eine überraschende Unterströmung. Ich bin an der Nordsee aufgewachsen und Mitschüler meiner Schule sind so ertrunken. Die Fische können sehr flach liegen, da wo die Welle so gerade eben zurückkommt. Im Drill, ob an der Fliege oder eben an der Spinnrute, ist ein großer Steinbutt ein Erlebnis. Die Fische haben ein vergleichsweise großes Maul und stülpen sich förmlich über den Köder. Der Haken kann trotzdem sehr ungünstig in der dünnen Maulhaut sitzen und leicht ausschlitzen. Man muss dennoch einen Hakenlöser für Hecht mit sich führen, denn nicht selten ist der Fisch auch tief gehakt (Bild 8).  Das Mindestmaß sind 30 cm. Längs. Quer sind Steinbutte kaum kürzer. In keinem Fall pumpen oder mit der Rute hampeln. Steinbutte können sich am Grund perfekt festsetzen und sind dann schwer zu heben. Wie eine Saugglocke. Geduld und stetiger Zug sind wichtig. Ich habe schon Dänen gesehen, die einen Harpunenstock mit sich führen. Das ist derb, aber eben ihren Erlebnissen geschuldet. Ich habe einen Orvis Landhandschuh dabei (Bild 8). Verliert man einen Steinbutt auf Sicht, kann man ihn oft greifen. Ist der Fisch eindeutig zu klein, bitte im Wasser lösen. Nicht auf den Strand schleifen. Ein maßiger Butt ist etwa so groß wie eine nicht aufgeschlagene, einmal gefaltete Tageszeitung. Das erkennt man. Berliner Format. Natürlich ist das Ganze nicht die feine englische Art, von wegen trocken und stromauf, aber an/in der Nordsee im Wind zu stehen und einen 50er Steinbutt zu fangen macht alles wett. In diesem Sinne, für einen Fliegenfischer, der gern kocht, ist meine Methode vielleicht akzeptabel. Petri Heil, wenn Sie es versuchen wollen. Sollten Sie diesen Oktober noch einen bärtigen Herrn mit einem Fischbeutel und weißer Rute sehen, das könnte sehr wohl ich sein. Bei mildem Wind aber doch lieber mit einen blauen Sage Salt. Bei schwachem Westwind an einem langen Strand nach Norden zu fischen, mit dem Wind auf der linken Schulter, ist besser als eine 150 Euro Tageskarte im Süden, und tagesfrischer Steinbutt mit Beurre blanc, Pfifferling-Mais Samosas und Kräuterkartoffeln, dazu ein kühler Weißwein, kommt on top auch gut. Das ist wie Saltkrokan für Oldies.

Nordseetipps:

  1. Lassen Sie die anbrandenden Wellen nicht aus den Augen. Da kommt immer mal ‘ne Dicke.
  2. Stellen Sie sich immer quer zu den Wellen und heben Sie keinen Fuß, wenn eine kommt. 
  3. Drehen Sie dem Meer nie den Rücken zu, auch nicht beim heraus waten.
  4. Parken Sie Ihr Auto immer mit der Front in den Wind, sonst weht er in den Laderaum und kann Gegenstände erfassen.
  5. Erwarten Sie keine Ruhe und Kontemplation. Die Brandung ist laut, die Fischerei anstrengend.
  6. Nehmen sie eine spitze kleine Schere mit. Sonst kann man das Baitelastic und den alten Fetzen nicht am Strand entsorgen, und das stinkt dann im Auto.
  7. Die besten Monate an der Westküste sind April und Mai. Ab Mitte April ideal auch für Lachsfischer. Flut auf Steinbutt, dann schnell Skjern und auf Lachs. Top Frustrationstraining, wenn man hier und dort nix fängt.
  8. Wolfsbarsch ist möglich, aber leider in DK geschützt. Ich esse ihn tagesfrisch wirklich gern.
  9. Ich trinke gern malziges Lager und rate zu Jacobsen Viva Classic aus dem Spezialregal.
  10. Und zu guter Letzt, ein Steinbutt ist wie Lachs und Meerforelle. Kann schon mal sein man schneidert eine ganze Woche. Aber die tanzenden Regenbogen, ne, nicht der Fisch, diese Goldtopfdinger, in der Gischt der Brandung trösten nicht schlecht. Und auf Buttlöffel umsteigen heißt aufgeben.

Ingo Karwath