For international readers: A thousand casts? Bull!

Die „Høsteren“, übersetzt Erntemaschine, ist eine vergleichsweise neue Fliege aus einer Kombination bewährter Vorläufer. Als Schwanz zunächst eine Portion Regenbogendubbing einbinden. Das Material ist unersetzlich.
Die Meerforelle ist angeblich der Fisch der tausend Würfe. Und das ist Quatsch. Wenn man an eine Stelle geht, an der keine Meerforellen sind, kann man leicht zehntausend Würfe machen und keine fangen. Ein Fliegenfischer, der 25 Meter wirft, hat etwa 20 Meter Schnur draußen, Rest sind Vorfach und Rute. Zieht man jede Sekunde 30 cm ein, ist man in 66 Sekunden damit fertig. So kann man einen Wurf natürlich nicht berechnen, denn mit Schwimmschnur und leichter Fliege wartet man vielleicht ein paar Sekunden bis zum ersten Pull. Persönlich werde ich auf die letzten Meter gern mit der Rute aktiv und zubbel die Fliege seitlich heran, und starte dann den nächsten Wurf. Rollwurf nach vorn, Rückwurf mit Schnurzugabe, Vorwurf mit Schnurzugabe, Rückwurf mit Schnurzugabe und Vorwurf mit Schuss. Fertig. Dauert so um die 6 Sekunden. 50 Würfe pro Stunde sind realistisch, und wäre die Meerforelle der Fisch der 1000 Würfe, dann wäre das nichts für mich. Ich erwarte mehr vom Leben. Aber zwanzig Stunden für einen Fisch ist bekanntlich nichts, denkt man an Lachse. Und sieben Tage für eine Meerforelle, sagte man an den Flüssen in Nordjütland früher. Besser sieben Nächte! Der theoretische Zeitaufwand ist also völlig normal, und es gibt keinen Grund sich ihm zu verweigern. Ich versuche es trotzdem. Mit weniger werfen.

Jetzt kommt eine Portion Wildschweinhaar rundum, und das macht mir die Fliege doch sehr sympathisch. So als Auch-Jäger.
Wenn man sich eine schöne Fliegenrute gekauft hat, möchte man die auch benutzen, und 1000 Würfe sind ja auch eine Freude in sich. Sie sind Training, Gymnastik, schlicht gesund. Ein Jäger gibt zehnmal soviel für seine Waffe aus, aber es käme ihm wohl nicht in den Sinn, das Teil 1000mal an die Backe zu halten. Kommt er jedoch dazu anzubacken, anzusprechen und zu schießen, hat er nicht selten vorher 1000mal durch Glas geschaut. Und 20 Stunden sind nix auf der Jagd. Wenn man nun beides etwas mehr mischt, mehr ansitzt, mehr schaut, mehr wartet, und auf diese Art 950 Würfe weglässt, weil da gerade keine Forellen sind, dann wird die Meerforelle zum Fisch der 50 Würfe. Denn hat man Fische ausgemacht, gehen die Fangchancen bekanntlich exponentiell in die Höhe. Da wird die Fischerei zur Jagd. Anblick schafft Erfolg. Wir treffen jedoch keine finale Entscheidung und müssen nicht töten um zu jagen, wir haken und drillen und können den Fisch wieder frei lassen. Denn ansprechen können wir ihn nicht.

Nun soll man einen Faden rotes Flashabou und einen Faden Flashabou in Pearl einbinden. Das verdoppelt für einen Händler natürlich den Absatz von Flashabou, darum fallen wir darauf herein und machen es mal nach. Die Shrimp Eyes in Rot, die man nun einbinden soll, ersetze ich durch einen Stummel rotes Antron, denn ich binde keine Shrimps mit Augen. Ich halte sie für einen Bindejoke und benutze lieber Stummelschwänze in schwarz, orange, gelb und rot.
Da schwimmen zwölf Meerforellen zwischen 38 und 72 cm vor uns, und wir haken die Kleinste. Ein weiterer Unterschied ist, dass wir nicht aus 200 Metern mit einem Spektiv gucken können, für uns ist es vorteilhaft, im Wasser zu stehen. Stehen wir drin, können wir Fische um uns bemerken, die man von einem Stein am Strand nie gesehen hätte. Aber in Jahrzehnten am Strand habe ich nur einmal einen Fliegenfischer gesehen, der einwatete und nicht wirklich fischte. Er machte nur einzelne Würfe mit sehr, sehr langen Pausen. Das war an einem Strand in der Nähe von Kolding, im Herbst, und als ich meinem damaligen Gastgeber Günther Sorgenfrei davon berichtete, sagte dieser nur: Ja, das ist ein gefährlicher Fischer! Das ist alles schön und gut, aber fassen wir noch einmal zusammen. Unsere Herausforderung sind Fische, die wir meist nicht sehen können. Wir haben in der Regel einen effektiven Halbkreis von um die 30 Meter, in dem wir einen Fisch fangen könnten, wenn einer da wäre. Und so bitter es auch ist, wir überwerfen und verscheuchen Fische mit schönster Regelmäßigkeit, wenn sie einmal da sind. Die beste Annäherung, die man machen kann, ist vermutlich die alte dänische Regel erst vom Strand, dann von der Kante, dann im Wasser. Ist man im Wasser, wiederholt man das Konzept. Erst 10 Meter werfen, Halbkreis, dann 15, 20, immer Halbkreis, und so weiter. Hat man den ganzen Halbkreis abgefischt, eine Beobachtungspause einlegen. Sieht man Nahrung, Fische, Bewegung, sieht man irgendetwas. Dann einen neuen Durchgang starten und dann die Stelle wechseln.

Eine hellbraune Grizzlyhechel einbinden, so man hat. Oder halt eine ähnliche Farbe. Die Hechel soll so einen Alive-Effekt erzeugen, und das tun andere Nuancen von Grizzly auch. Regenbogendubbing in eine Schlaufe spinnen und einen Körper wickeln.
Mit diesem mittleren Ansatz drückt man die Zahl der Würfe für einen Fisch vielleicht auf 600, 700. Nur mit noch mehr Pausen und Beobachtung, mit Wanderungen am Ufer oder gar Fahrten mit dem Auto setzt man diese Zahl weiter zurück. Mit einem extremen Ansatz kommt man auf noch weniger Würfe, muss dann aber in Kauf nehmen, viele Stunden nur zu beobachten. Für mich stellt sich dann die Frage, bin ich Nabu oder Angler. Es hat sich ergeben, dass ich an langen Tagen am Strand eher zum mittleren Ansatz neige, bei kurzen Besuchen am Wasser aber meine 50 Würfe pro Stunde mache. Ich nenne meine beiden Konzepte Daimon-Hase und Churchill, denn ich gehe weder ohne Batterien noch ohne Zigarren an den Strand. So, da sitze ich nun am Computer und habe diesen Text geschrieben. Unmittelbar nach einer Woche Dänemark. Ich packe mal eine neue Fliege bei, damit ich das hier nicht unter Sidekicks bringen muss, und wünsche jedem Nachbinder 50 Würfe bis zum nächsten Fisch. Und schön gesund bleiben, und keinen Hosteren, Husten, mit der Høsteren einfangen, so im Høst, Herbst.

Die Hechel nach vorne palmern und die Fliege abschließen. Mit Allesnäher rippen, wenn man das Muster nachhaltig fischen möchte.
Ingo Karwath