Where’s Wally?

For international readers: The „Grab the box and go concept“

Nach den Corona Jahren und dem Hauskauf- und Umzugsintermezzo erinnerte meine erste Angelreise letztes Jahr nach dieser viel zu langen Pause leider an das berühmte und beliebte Kinderbuch von Martin Handford. Where’s Wally? Wo ist Walter? Meine schöne Ordnung, die sich in 33 Jahren in unserem alten Haus ergeben hatte, und über die ich womöglich mal prahlerisch berichtet habe, eventuell auch häufiger, war mir leider durch die Umstände unter den Händen zerronnen. Alles wieder ins Lot zu bringen hatte es im Eisenhower Quadrat noch nicht bis nach links oben geschafft, und so rannte ich in den Tagen vor der Abfahrt etwas kopflos durchs Haus und suchte mein Ostsee-Tackle. Das war mal schön beieinander in einer passend beschrifteten Alukiste, aber aus Gründen, die ich nicht mehr nachvollziehen kann, war die leer. Wie brauchten alles an Kisten was da war für den Umzug, und ich machte wohl den Fehler sie preiszugeben. Hecht, Forelle, Lachs, Meerforelle, Ostsee, Bonefish, alles war in Themenkisten. Jetzt ist es in Aldi, Lidl, Netto, Rewe und Kaufland Tüten. Was für ein Niedergang. Die Methode, mit der ich eine erste Rekonstruktion versucht habe, war das Rollenspiel. Also Weste anziehen, und mal alles durchspielen, was man am Wasser so zu handhaben hat. Das fing schlecht an, denn ich setze mich gern an den Strand und rauche erstmal ‘ne kleine Upmann. Das Zigarrenetui war weg und ich hab’s auch nicht gefunden. Na gut, so wichtig ist dieses Anfangsritual nicht. Ruten und Rollen hatte ich natürlich parat, aber welche von meinen recht vielen 6er, 7er und 8er Schnüren ich wohin getan hatte war auch zunächst unklar. Auf einer Rolle war aber noch eine schöne 7er Outcast, die habe ich überpflegt und gestreckt und war ein Problem los. Die 6er Schnüre fand ich in einer beschrifteten Tüte. Vorfächer waren keine in der Weste, aber an der Lochwand im Bindezimmer hingen fünf frische Stroft auf 0,32, meine Lieblingssorte. Tippet von 2022 fand ich ebenfalls und war froh, dass ich immer das Kaufjahr notiere. Eine Spule Gunki 0,40 hatte ich im März gekauft, für Seitenarme, und damit war das Vorfachthema durch. Fliegen sind auch nicht gerade eine Mangelware bei mir und die Dosen waren so gut gespickt, dass ich für 5 neue „Regnbuesvinet“ echt Platz machen musste. Insgesamt war ich froh, als ich dann alles gefunden hatte und nahm mir vor, wieder mein Kisten- und Westenkonzept zu etablieren, mit dem ich viele Jahre so gut gefahren war. Die Idee ist die, dass man in einer halben Stunde fahrbereit ist, wenn sich die Möglichkeit zu einer Angelreise auftut. Die Annahme ist fiktiv, weiß ich wohl, denn schaut man sich die Kosten von solchen Reisen an, bedürfen sie für viele von uns etwas längerer Vorbereitung. Die exklusiven Ziele für Fliegenfischer kosten weltweit zwischen 8000 und 12000 Dollar für eine Woche, und das ist ja nur der Preis für die Lodge. Hinzu kommen die Reisekosten und der Tip für das Personal, 15% werden angeraten, und da ist man flott bei zwei, drei Tausend dazu. Arbeitende Menschen, die sich das leisten können, haben meist wenig Urlaub und viel Stress, und es sei ihnen gegönnt. Für 12000 Dollar kann man sich aber auch 100 Tageskarten an einem schönen Fluss in Europa kaufen, oder 80 Nächte in einem guten Hotel in Dänemark, und der Strand ist frei. Und wie man es auch macht, wir neigen sicher alle dazu unsere Reisen etwas länger zu planen und die Vorfreude mehr auszukosten, als meine 30 Minuten Annahme. Ich fahre ja gern mit Zelt los, und das ist vom Aufwand eine mittlere Expedition. Vor dem ersten Ausflug baue ich alles im Garten auf und prüfe mein Camp. Danach wird es einfacher. Aber dem Ideal, gepackte Kisten und volle Themenwesten zu haben, kann man sich trotzdem verpflichten. Leider erinnert dieser gute Wille stark an eine Diät oder den Vorsatz sich gesund zu ernähren oder mehr Sport zu machen. Marie Kondo für Fliegenfischer. Morgen, morgen fange ich damit an.

Was ist drin: Weste, Rollen, Ersatzschnüre, Fangplatzliteratur, Topografischer Atlas Dänemark, Wasserflasche, Flachmann, Schokolade, Axt, Thermos, Streichhölzer, Reservefliegen, Verbandszeug, Messer, Wathosenkleber, Watgürtel, Ersatzmützen, 500 Kronen Bargeld, Kopflampen, Zigarren und Zubehör, Ladekabel, Kamera, diverse Nylons, Tauchergewichte für Gravlax, Taschenlampen, Sturmlaterne, usw.

Ingo Karwath